Montag, 2. September 2013

Reise in eine grausame Vergangenheit |&| Capital today - [Phnom Penh]

Halli Hallo!
Soeben haben wir Phnom Penh mit dem Nachtbus in Richtung Süden, genauer gesagt nach Sihanoukville verlassen. Es ist mittlerweile fast 2 Uhr Nachts (und bestimmt viel später, wenn ich diesen Post beende).

Der Blogeintrag ist ziemlich zweischneidig aufgestellt. Zum einen gibt's mal wieder ne kleine Geschichtsstunde zur Vergangenheit des Landes, zum anderen gehe ich auf das (teils bedenkliche) Nachtleben der kambodschanischen Hauptstadt ein, also freut euch auf Abwechslung :-).

Bevor ich die größte Schwierigkeit hier in Kambodscha ständig erwähne und euch wohlmöglich langweile, vorweg ein- für allemal: Die Landeswährung sind eigentlich Riel, wobei 4000 Riel genau einem US-Dollar entsprechen. Alle größeren Einkäufe werden mit Dollar erledigt und so hat man permanent zwei Währungen im Portemonnaie. Das nervt schonmal. Jedenfalls kriegt man an ATMs ausschließlich Dollar und während wir in Laos mindestens 20 Scheine für umgerechnet 100€ bekamen, spucken die Automaten hier genau einen einzigen 100$-Schein aus. Und da liegt das Hauptproblem: Niemand kann (oder will) einem Wechselgeld auf 100$ geben. Und als wäre das noch nicht genug, werden auch 50, 20, 10 und manchmal sogar 5$-Scheine aus Mangel an Wechselgeld abgelehnt. Hört sich stark nach Luxusproblemen an, vielleicht sind's welche aber man steht schon manchmal blöd da, wenn man das Tuktuk, den Eintritt oder das Essen nicht bezahlen kann, weil man's nicht klein hat. So, soviel dazu :-)
Und zur Abwechslung mal ne kleine Denkaufgabe für euch: wie kann es sein, dass zwei Flaschen Wasser 1,25$ kosten?!

Wie bereits angekündigt haben wir hier am Morgen des ersten vollen Tages einen alten Bekannten wieder getroffen. Und ohne euch lange auf die Folter zu spannen: es war Dan, den wir in Pai kennengelernt hatten und der zwischenzeitlich mit Viola in BKK, und Südthailand war. Stilecht und typisch amerikanisch fuhr Dan mit dem Tuktuk zum Treffpunkt, während wir wie (fast) immer liefen ;-). Nach dem gemeinsamen Frühstück, bei dem sich gegenseitig über Reiseerlebnisse ausgetauscht und viel gelacht wurde, gings erstmal zum National Museum, welches allerdings nicht wie erhofft die jüngere Zeitgeschichte abdeckte, sondern in dem fast nur altertümliche buddhistisch/hinduistische Statuen, Büsten und Schmuck ausgestellt wurden. Aber auch wenn sich die 5€ Eintritt nicht wirklich gelohnt haben sahen wir drinnen einige echte Muffintops (ihr erinnert euch?!) und hatten ne Menge Spaß. Weil wir dennoch schnell wieder raus waren und es noch ziemlich früh war, konnten wir Dan überreden bis zum Genocide-Museum zu laufen und auf dem Weg dorthin etwas die Stadt zu Fuß zu erkunden. Zum Mittag gab's Baguettes mit Salat, Schwein und scharfer Soße am Straßenstand, anschließend gings weiter zum Museum, aber zuvor etwas Geschichte.

In Kambodscha kamen Mitte der Siebziger die kommunistischen 'Khmer Rouge' an die Macht und fingen sofort damit an, das Land nach ihren Vorstellungen umzugestalten. Zur Umgestaltung des Landes gehörte vor allem die Evakuierung der Städte und die Umsiedlung der Menschen in ländliche Gebiete, Arbeitslager etc. Das Familienleben wurde vollständig verboten und alle Einwohner, die dem Regime nicht willkommen waren, kamen zunächst in eins der zahlreichen Gefängnisse (das S-21, heutiges Genocide-Museum in Phnom Penh ist eines davon) und wurden früher oder später fast mit Sicherheit zu einen der vielen 'Killing Fields' gebracht, wo sie letztlich hingerichtet und in Massengräber geschmissen wurden. Unter dem Regime der Khmer Rouge wurde so nahezu 1/3 der gesamten Bevölkerung Kambodschas ausgelöscht. An der Spitze der Partei stand ein Mann namens 'Pol Pot', der erst vor einigen Jahren mit über 80 Jahren in Freiheit starb. Unfassbar, wenn man sich vor Augen hält, welche Verbrechen er uns seine Anhänger begangen haben. Genauso unfassbar ist es, dass die Khmer Rouge nach dem Völkermord noch für mehrere Jahre einen Sitz in den Vereinten Nationen besaßen.

Das Genocide-Museum ist wie schon gesagt in den alten Gebäuden des Gefängnisses S-21 untergebracht und das macht auch Sinn, denn dies war für viele tausend Kambodschaner die letzte Station vor dem sicheren Tod in den Killing Fields, wenn sie nicht vorher an Unterernährung oder Folter starben. Natürlich wussten die Gefangenen das nicht. Im Gefängniskomplex ist heute noch fast alles so, wie es mit Ende des Regimes verlassen wurde. Vom allgegenwärtigen Stacheldraht und dem Galgen im Innenhof über die kleinen Backsteinzellen im Erdgeschoss eines Gebäudes bis zu den Holzzellen in dessen erstem Stock. Die Letzten Opfer des Gefängnisses, die die Befreier damals nur noch tot an ihre Betten gefesselt und verstümmelt fanden, wurden im Innenhof begraben. Die Betten stehen aber noch immer in den entsprechenden Zimmern, dazu hängt überall dort wo eine Leiche gefunden wurde ein Bild an der Wand, das zwar bewusst verpixelt aber dennoch scharf genug den grausamen Anblick wiedergibt, der sich damals bot. In den Erdgeschossen zweier weiterer Gebäude sind unendlich viele Bilder von Opfern des Gefängnisses aufgehängt und außerdem werden hier die Foltermethoden beschrieben. Die Geschichten einiger Überlebender, insgesamt kaum mehr als eine Hand voll, hängen ebenfalls zum Lesen bereit. Im letzten Raum sind mehrere Glasvitrinen gefüllt mit Kleidung, Gebeinen und Schädeln der Opfer aufgebaut und es hängt ein Bild an der Wand, welches die Funde beim Killing Field im der Nähe zeigt - dutzende Massengräber, teilweise geöffnet und die gefundenen Schädel daneben aufgestapelt.  
Abgerundet wird das ganze mit einem Souvenirshop (leider echt makaber an so einem Ort) in dem man neben DVDs und Bücher über Kambodschas Vergangenheit auch die neueste Staffel Monk und allen anderen Ramsch kaufen konnte.

Der Besuch der Killing Fields am nächsten Tag regte sogar noch viel mehr zum Nachdenken an. Zusammen mit Dan und Djoeke, einer Niederländerin gings nach dem indischen Frühstück/Mittagessen mit dem Tuktuk erstmal ca. ne halbe Stunde Stadtauswärts und dann direkt rein. Am Eingang bekam man Audioguides auf allen möglichen Sprachen und Regenschirme. Wie um die Grundstimmung des Ortes zu unterstreichen fing es dann an zu regnen und wir sahen uns bald alle wie auf einer filmreifen tragischen Beerdigung vor einem (Massen)grab mit Schirm im Regen stehen und dem Audioguide lauschen. Und so lustig sich das wohlmöglich gerade anhörte, der Besuch der Killing Fields war kein bisschen lustig. Der Audioguide erzählte zu jeder 'Station' die passende Geschichte, angefangen mit der LKW-Haltestelle, wo täglich Wagenladungen neuer Gefangener ankamen. Da es definitiv zu weit führen würde, jede einzelne Station zu beschreiben, nur das bewegendste/interessanteste/wichtigste. Durch Bänder am Boden ist ein Bereich abgetrennt, in dem noch heute bei starkem Regen Knochen und Zähne frei gespült werden. Ein Bambuszaun markiert ein Massengrab, in dem mehrere hundert Schädel von Frauen und Kindern bis ins Säuglingsalter gefunden wurden. Besucher haben hier über die Jahre tausende bunte Armbänder zum Gedenken an die Opfer an den Bambuszaun gehängt. Direkt neben diesem Grab steht ein Baum, an dessen Rinde Knochensplitter, Haare, Blut und Gehirnmasse gefunden wurden. Der Grund dafür: mindestens 350 Säuglinge wurden damals an den Füßen gepackt, gegen den Baum geschlagen und anschließend in das Massengrab geworfen, man wollte ja Munition sparen. Auch der Baum hängt heute voller Armbänder. Ziemlich in der Nähe steht ein weiterer Baum, der früher 'Magic Tree' genannt wurde. Magie gab's hier allerdings keine. Am Baum wurden lediglich Lautsprecher aufgehängt, die den Lärm der Exekutionen mit Propagandaliedern übertönen und die restlichen Gefangenen beruhigen sollte. Durch Schusswaffen sind hier übrigens die wenigsten gestorben. Kugeln waren wertvoll und so behalf man sich stumpfer oder spitzer (Garten/Bau)werkzeuge oder auch scharfkantiger Palmenblätter. Die Gefangenen mussten sich direkt an den Rand der Grube knien und wurden dann erschlagen. Viele Menschen waren deshalb nichtmal tot, als sie in die Gräber geworfen wurden. Eine Chemikalie, die u.A. gegen den Gestank auf die Gräber gesprüht wurde, erledigte den Rest. Überall gibt es außer den geöffneten noch ungeöffnete, eingesackte Gräber, die das Ausmaß dieses Massengrabs deutlich machen. Ein Schild mit der Aufschrift 'Please don't walk through the mass grave!' lässt einen erneut fassungs- und sprachlos stehen.
Die alten Gebäude wurden übrigens alle kurz nach der Entdeckung der Einrichtung und der Massengräber abgerissen und später eine Gedenkstätte errichtet, in der heute über tausend Schädel liegen die durch Glasscheiben von außen sichtbar sind.

Alles in Allem ganz sicher nichts für schwache Nerven, aber die damaligen Umstände werden vom Museum und in den Killing Fields sehr passend, schlicht und kompromisslos wiedergegeben. Nichts wird verharmlost oder zensiert und genau das ist gut, denn es rüttelt wach und hilft dazu beizutragen, dass so etwas nie wieder passiert.

Nun aber genug von der Geschichte des Landes und zum schöneren Teil des Aufenthalts in der Hauptstadt. Nach dem Besuch des Genocide Museums gings weiter südlich zum sogenannten 'Russian Market'. Am Markt ist außer dem Namen nichts russisch, es gibt den selben Ramsch wie sonst auch überall und darüber hinaus noch viel mehr. Kobras in Schnapsflaschen zählen zu den ausgefallensten Souvenirs. Eine Stunde in den engen Gängen des Marktes reichte völlig und durchgeschwitzt aber um einige Mitbringsel reicher gings im Anschluss erstmal wieder zum Hotel zurück. Für den Abend verabredeten wir uns in Dans Unterkunft, dem Mad Monkey GH und so machten Kevin und ich uns gegen halb acht - wieder zu Fuß - auf den Weg. Hätten wir uns nicht etwas in der Richtung vertan, wären wir auch noch vor acht an- und dadurch in den Genuss von Freibier in der Monkey-Bar gekommen. Aber egal, denn auch so war ein großes Gezapftes für 1$ zu haben und die Bar war gerappelt voll. Schnell fanden wir Dan und Anschluss an einige weitere Personen, unter ihnen Rob und Djoeke (separat reisend) aus den Niederlanden und diverse andere Mädels. Zusammen spielten wir einigen Runden Beerpong auf einem mit Schwarzlicht-LEDs beleuchteten Glastisch (wichtiges Detail xD) und obwohl ich vorher noch nie gespielt hatte, gewann mein Team 2x in Folge ;-). Mangels Abendbrot und Alternativen gab's hinterher noch nen unfassbar großen Big Mac incl. Pommes für eigentlich teure 5,50$ und weiter ging's mit einer Gruppe von etwa zehn Leuten in die nächste Bar.
Nach kurzem Marsch erreichten wir 'Equinox' (von einem Schweizer geleitet), wo Kevin, Djoeke und ich uns spontan für einen 3 Liter Tower Bier entschieden. Weitere Zwei Stunden und eine ganze Menge netter Unterhaltungen zwischen Lieblingsmusik und Weltfrieden später - der Tower war nun leer - zogen wir erneut um, vorerst aber nur auf die Dachterasse eine Etage höher, wo zwischen Gruppenfoto und Skyline-gucken die Pläne für die restliche Nacht geschmiedet wurden. Gut, dass wir via Couchsurfing auf irgendwelche Wege einen Local dabei hatten, der wusste wo noch was los ist. Kurze Zeit später sahen wir acht uns aufgeteilt auf zwei Tuktuks eine Art Rennen über die nachts leeren Straßen der Hauptstadt machen und kamen bald am Club an. Zu unserer Überraschung gab's freien Eintritt und die Sicherheitskontrolle beschränkte sich auf einen kurzen Blick von oben nach unten. Badehose und löchriges Shirt haben auch nicht gestört, also auf ins Partyleben! Man muss sagen, dass ich mich an den letzten Discobesuch (ARM nicht mitgezählt) in Deutschland schon garnicht mehr erinnern kann und von daher auch keine Ahnung habe, was bei uns grad für Musik läuft, würde aber sagen dass der Club musikalisch ziemlich gut mit deutschen vergleichbar war, nicht aber der Rest. Wir stürmten sofort die Tanzfläche und tanzten was das Zeug hielt, immer die interessanten Geschehnisse um uns rum im Blick. Die Bar und ein Tisch nahe dem Dancefloor war beispielsweise bevölkert von 'räusper' offensichtlichen Nutten und nicht nur ein grauer alter Rentner war im Umkreis dieser vertreten, vergebens bemüht jugendlich zu tanzen und dabei eines der leichten Mädchen mitzureißen. Das ist schon kein schöner Anblick. Eher ziemlich abstoßend. Später wurden wir Zeuge eines sehr anzüglichen Tanzes zweier Männer/Jungen und fragten uns langsam, in was für einem Laden wir hier gelandet, ja ob wir hier eventuell falsch waren. Nachdem der Rest von uns gegen halb zwei das Feld räumte blieben Kevin und ich noch eine weitere halbe Stunde. Als das Treiben dann aber noch bunter wurde, verließen auch wir den Club. Orientierungslos liefen wir auf der Suche nach einem Tuktuk erstmal in die vermeintlich richtige Richtung los, erreichten allerdings direkt um die Ecke den nächsten Clubeingang und auch wenn's entgegen allen guten Verstandes ist, es lief Dubstep und für ein, zwei Bier kehrten wir auch hier nochmal ein. Der zweite Club war eher aufgebaut wie ein Festivalzelt und bot eine riesengroße Tanzfläche, auf der wir etwa noch ne weitere Stunde durchdrehten (doch wenn schon scheiße tanzen dann so dass die ganze Welt es sieht!). Dann allerdings, angewidert von all den - hier sogar in noch größerer Zahl vorhandenen - Prostituierten, die sich an westlich aussehende Männer/Rentner ranmachen oder umgekehrt und der ewige Kampf, diese Frauen von einem selber fernzuhalten ("wir sollten uns küssen, vielleicht geht sie dann!" - dazu ist es Gott sei dank nie gekommen) sind wir schließlich auch gegangen, diesmal sogar direkt in ein Tuktuk nach Hause. Ha! Falsch gedacht, denn der Fahrer hatte keinen Schimmer wo die 'German Embassy', zu der er uns vorerst bringen sollte, war und nachdem er einen Kollegen gefragt hat, brachte er uns direkt zur 'Japanese Embassy' am fast anderen Ende der Stadt! Klasse, zum Abschluss der Nacht noch ne kostenlose Stadtrundfahrt, denn mehr Geld als verhandelt hat der gute von uns deshalb nicht gesehen. Überhaupt sind wir nur durch einen 100 Riel-Schein und unsere eigene zwei Tage alte Orientierung in der Stadt wieder zuhause angekommen. Auf dem Schein ist ein Monument abgebildet, von wo aus wir dem Fahrer dann den Weg nach Hause über Armbewegungen verständlich machen konnten, mit Englisch war nichts. Geschafft von der ereignisreichen Nacht gings dann gegen halb fünf endlich ins Bett.

Nachdem wir morgens nach dem Checkout die Killing Fields (s.o.) besucht haben, suchten wir uns erstmal nur noch ne ruhige Bar zum Zeit totschlagen (bis uns der Night Bus heute in aller Früh abholte). Ich machte mich auf den Weg etwas Streetfood gegen den Hunger zu organisieren und musste wegen der Tageszeit und dem Stadtteil leider kapitulieren, es waren einfach keine Stände zu finden! Dafür erstand ich in einem DVD-Store fünf garantiert originale Filme, allesamt gerade in deutschen Kinos zu finden und im Mini-Mart Kekse für den größten Hunger.
Am Abend trafen wir erneut zwei der Mädels vom Vorabend und nahmen uns ein Tuktuk zum Central Market. Was wir nicht wussten und was uns der Fahrer auch erst sagte, als wir schon davor standen: der Markt schließt täglich um fünf. Klasse. Der Hunger blieb jedoch und ganz in der Nähe fanden wir ein Einkaufszentrum mit Foodcourt, wo wir diesen schließlich stillen konnten. Aus den anfänglichen Plänen, noch weiter in eine Bar zu gehen wurde im allseitigen Einverständnis nichts mehr, denn alle waren geschafft vom Tag bzw. der letzten Nacht und zogen es vor, zurück zum Hostel zu fahren. Aus Mangel an Kleingeld erspielten uns Kevin und ich gegen elf noch die Chance von unserem bis zu Dans Hostel, wo der Bus abfuhr, mit unserem gesamten Gepäck zu laufen. Unschön, aber Sport muss sein!

Das war's auch schon aus Phnom Penh, einer ziemlich Verkehrsreichen, nachts etwas unheimlichen Hauptstadt, die UNS jedenfalls nicht einlädt, länger zu verweilen als nötig.

PS: die nervigsten Tuktuk-Fahrer in ganz Südostasien sind eindeutig hier zu finden und wie üblich wurden pünktlich mit dem Untergehen der Sonne neben Fahrten auch Drogen angeboten.

Bis demnächst und bleibt sauber!
Björn

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