Samstag, 1. Juni 2013

Zwischen Leben und Tod - Final Destination Varanasi

Namaste Guys!
Dieses mal grüßt das Murmeltier aus Varanasi, der heiligsten Stadt Indiens und Pilgerstätte für alle Altersgruppen von Indern, die in dem Wasser des Ganges ihre Sünden von sich waschen wollen, aber auch für alte, kranke, sterbende sowie bereits tote Menschen, die ihre letzte Ruhestätte hier finden.
Definitiv das Krasseste, was wir in diesem Land erlebt haben!

Nachdem wir nach der Ankunft im Hotel, welches am Ende einer sehr dunklen und schmalen Gasse unweit des Ganges in der Altstadt von Varanasi liegt, in der "German Bakery" nach 45 Minuten Wartezeit endlich unser Frühstück bekamen (indische Minuten sind mindestens doppelt so lang wie Mikrowellenminuten) und uns zum Fluss durchgefragt haben, liefen wir gleich einigen - ich nenn sie mal 'Massage-Indern' in die Arme - die weiße Farbe lässt sich nunmal nicht abwaschen und so fallen wir halt überall direkt auf. Die haben uns dann direkt für lau alle vier Arme durchgeknetet, dann sind wir aber auch gegangen. Erstmal Flussabwärts an den zahlreichen Ghats entlang. Das sind Treppen, die von der exponierten Stadt direkt bis zum Gangesufer hinunter reichen und größtenteils zum Baden und für Gebete benutzt werden. Jeden Morgen und Abend werden hier große Feiern mit reichlich Publikum durchgeführt. Dazu später mehr. Viele Inder angeln hier auch mit kurzen Handleinen und vereinzelt baden größere Herden Wasserbüffel im Ganges. Das Alles spielt sich zwischen unfassbaren Mengen an Plastikmüll, Abwasser etc. ab.
Auf den Treppen ließe es sich im Schatten teilweise sehr gut aushalten, wenn man nicht alle 5 Minuten wegen ner Massage, Bootsfahrt, Drogen o.ä. vollgenölt werden würde. Weil dann meist auch 3x 'Nein' nicht ausreicht und man auch ungern ausfallend werden möchte, muss man sich dann wohl oder übel erheben und weiter ziehen.
Nachdem wir den Fluss so bis zum letzten Ghat südlich gegangen sind, ging's durch die Stadt zurück und in Richtung Norden weiter am Ganges entlang. Die nördlichsten Ghats werden nicht zum Baden, sondern für die Einäscherung genutzt.
Folgendes hat uns an einem solchen Ghat ein Inder erzählt, der vorgab, in einer Hospiz am Ganges zu arbeiten (Leuten die nur auf Geld aus sind, schenke ich schon lange keinen Glauben mehr - schade für diejenigen, die es ernst meinen, aber gesamt gesehen selbst schuld.):
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Aus ganz Indien kommen alte, kranke Menschen nach Varanasi und sogar nach ihrem Tod werden noch Leichen per Zug hierher gebracht, um am Ufer des Ganges verbrannt zu werden. Nach dem Tod werden die Körper hier zur Vergebung der Sünden im Ganges gebadet und mit Butter geölt.
Nachdem die Leichen in Tücher eingewickelt und mit Blumen geschmückt in einer Trauerprozession durch die Gassen der Altstadt getragen werden (während wir später im "Blue Lassi" den laut Reiseführer 'besten Lassi Indiens' tranken, kamen 3 solcher Prozessionen in 20 Minuten vorbei, am Folgetag haben wir noch viele mehr gesehen), werden sie am Ganges-Ufer auf einen Scheiterhaufen gelegt und verbrannt. Der Inder meinte, pro Körper werden 200kg Holz benötigt und jedes Kilo kostet 250 Rupien...glaube ich kaum, denn viele Alte hier sehen so aus, als könnten Sie ohne Spende nichtmal ihr nächstes Essen bezahlen...
Wie dem auch sei, jedenfalls dauert so eine Einäscherung 3 Stunden und am Ende weden die letzten schwelenden Knochenreste in den Ganges geschmissen. Anhänger der unterschiedlichen Kasten werden auf verschiedenen Ebenen verbrannt. Zwischen den einzelnen Scheiterhaufen der niedrigsten Kaste direkt am Wasser laufen Kühe und Ziegen herum und fressen Wasauchimmer. Das ganze findet hier vollkommen öffentlich statt und man kann bei allem zusehen - einfach unbeschreiblich der Anblick, und deshalb versuch ich's auch garnicht detaillierter zu beschreiben.
Frauen sind seit vielen Jahren bei den Zeremonien verboten, seit eine Ehefrau beim Anblick ihres brennenden Ehemanns ebenfalls spontan den Feuertod wählte.
Schwangere Frauen, unverheiratete Kinder und Leprakranke werden nicht verbrannt, da die Kinder als 'reine Blüte' und die Kranken als zu schmutzig angesehen werden. Stattdessen werden diese an schwere Steine gebunden und feierlich in der Mitte des Ganges versenkt. Natürlich tauchen sie dann auch irgendwann wieder auf und machen sich als Treibgut auf den Weg flussabwärts.
JEDEN TAG werden hier in Varanasi zwischen 200 und 300,  an sehr heißen oder sehr kalten Tagen sogar bis zu 700 Menschen verbrannt.
Der Ganges ist zwar sowieso schon als ziemlich schmutziges Gewässer bekannt, aber hier wird es durch oben genannte Verbrennungen und Wasserbestattungen erst so richtig schlimm. Wer was über die Schadstoffbelastungen erfahren möchte, dem empfehle ich Wikipedia, mich kriegt jedenfalls nichts auf der Welt in die Nähe des - von einem guten Freund liebevoll als 'Jauchefluss' bezeichneten Gewässers.

Nach dem Abendbrot auf dem Rooftop-Restaurant unseres Hotels - dem höchsten der Stadt - ließen wir die Erlebnisse erstmal eine Nacht sacken.

Am nächsten Morgen machten wir uns zu Fuß zum 4,5km entfernten Bahnhof auf, um die Busverbindungen zur nepalesischen Grenze zu erfahren - Touristenbüros kann man hier erfahrungsgemäß vergessen, die schlagen bis zu 100% drauf und machen unzuverlässige Angaben!
Am Bahnhof kam uns spontan die Idee, zu einem 10km entfernten Dorf zu fahren, in dem Buddha nach seiner Erleuchtung zum ersten Mal wieder sprach. Nachdem wir hier aber von Gleis zu Gleis geschickt wurden und wirklich keiner der Angestellten einen Plan von Zeit und Ort der Abfahrt hatte, haben wir das aufgegeben. Manchmal frage ich mich ernsthaft, wie das hier alles funktionieren kann, wenn Offizielle hier scheinbar morgens nichtmal die Schuhe alleine zubinden können!
Wir sind dann jedenfalls mit einer Fahrradrikscha wieder zum Hotel zurück gefahren. Bei 44 Grad tat uns der strampelnde Inder im Sattel schon etwas leid, aber wir hatten auf der engen Sitzbank ebenfalls zu kämpfen - und zwar mit eingeschlafenen Beinen :-D.

Abends ging's zu den Ghats, wo wir uns in Begleitung einer größeren christlichen Reisegruppe die Feier im Sonnenuntergang ansahen und uns mit jungen Menschen aus der Schweiz, Norwegen, Dänemark, Australien, der Slowakei und England austauschten.
Das Fest selber besteht aus einer Reihe von Interpreten, die auf Reich mit Blumen geschmückten Podesten am Flussufer stehen und abwechselnd mit Feuer und Rauch hantieren sowie in Muscheln blasen oder Glocken leuten. Ziemlich eindrucksvoll, aber nichts was man öfter sehen muss.

Alles in allem ist Kathmandu ein sehr belebter und quirliger, vor allem aber religiös bedeutender Ort, der durchaus einen Besuch wert ist, wenn man mit dem Anblick des ganzen Elends hier zurecht kommt. Nach nem Monat Indien sind wir zwar schon gegen vieles abgehärtet, aber treibende Kuh- und Menschenleichen sowie eine tote Ratte direkt vorm Hotel, um die sich gerade Kakerlaken und anderes Getier streiten, sind immernoch schwer verdaulich - Gut so, finde ich!

Nach dem Abendessen auf dem Hoteldach machen wir uns nun so langsam Abfahrbereit, denn morgen Mittag gehts mit dem Bus nach Nepal, wo eine Trekking-Tour und mit Kathmandu eine weitere quirlige Stadt auf uns wartet!
Somit ist dies also der letzte Post aus Indien, das nächste Update gibt's aus dem Himalaya, wo die Temperaturen hoffentlich erträglicher sind!

Liebste Grüße vom Ganges
Björn

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